Der dunklen Materie auf der Spur

Zwei Experimente kommen der Antwort auf die Frage, was einen Großteil des Universums ausmacht, näher

Von Mark Miller.

Wissenschaftler gehen davon aus, dass mehr als ein Viertel unseres Universums aus dunkler Materie besteht. Doch da diese aus einer Substanz besteht, die kein Licht absorbiert, reflektiert oder aussendet, ist dunkle Materie extrem schwer zu finden. Tatsächlich schweigt das Standardmodell, die beste wissenschaftliche Erklärung für die fundamentalen Bausteine und Kräfte im Universum, zu diesem Thema.

Doch die Ergebnisse zweier Experimente scheinen ein neues Licht auf dieses Mysterium zu werfen: eins durch das Definieren von Voraussagen für das Standardmodell und das andere durch die Entdeckung potenzieller Partikel dunkler Materie durch die Kollision mit regulären Atomen.

Schlingernde Myonen

Das am Fermi National Accelerator Laboratory, Fermilab, durchgeführte Myon g-2-Experiment lieferte weitere Hinweise darauf, dass das Verhalten subatomarer Teilchen, so genannter Myonen, möglicherweise von den Vorhersagen des Standardmodells abweichen kann.

Myonen ähneln in vielen Eigenschaften den Elektronen, sie sind jedoch 200-mal schwerer. Genau wie Elektronen verhalten sich Myonen so, als hätten sie einen internen Magneten. Wenn sie sich durch Magnetfelder bewegen, drehen und schlingern Myonen ähnlich wie ein Kreisel.

Beim Myon g-2-Experiment kreisen die geladenen Myonen in einem ca. 15 m breiten Ring, einer Art magnetischer Bahn. Während sie durch das Magnetfeld reisen, können die Schwankungen präzise gemessen werden. Die Ergebnisse werden mit den theoretisch berechneten Größen verglichen. Das Experiment bestätige eine Standardabweichung von 4,2 vom vorhergesagten Standardwert. Die Diskrepanz könnte ein Indiz dafür sein, dass die Myonen mit anderen Teilchen oder einer der Wissenschaft bisher noch unbekannten Energie interagieren, eine Entdeckung, die einen neuen Einblick in die Mysterien des Kosmos, wie beispielsweise die dunkle Materie, ermöglichen könnte.

Entdeckung durch Ablenkung

Im Gran Sasso National Laboratory in Italien sucht das XENONnT-Experiment nach Partikeln der dunklen Materie durch die Erkennung von Lichtblitzen, die entstehen, wenn diese mit den Xenon-Atomen kollidieren.

Das Experiment verwendet mehr als acht Tonnen Xenon, das sich in einer Flüssigkeit befindet. Kollidiert ein Partikel der dunklen Materie mit Xenon, wird ein Elektron freigesetzt. Dieses Ereignis erzeugt schwache Signale aus Licht, die von empfindlichen Lichtsensoren nachgewiesen werden können, die sich im Flüssigkeitsbehälter befinden. Die Messinstrumente können sogar ein einzelnes Photon wahrnehmen, das durch Ablenkung eines Partikels dunkler Materie freigesetzt wird.

Wissenschaftler machen sich die Ablenkung der Partikel bei der Suche nach schwach wechselwirkenden massenreichen Teilchen (weakly interacting massive particles, WIKPs) zu Nutze. Bedauerlicherweise konnten bis jetzt keine entdeckt werden, doch ein Ausschließen von Kandidaten für dunkle Materie kann sich genauso wie ihre tatsächliche Entdeckung lohnen.

„Man zerbricht sich den Kopf und denkt, man habe vielleicht aufs falsche Pferd gesetzt“, sagt Physiker Rafael Lang in einer Veröffentlichung in Scientific American über die Suche nach den WIMPs. Aber er bleibt optimistisch. „Wenn man vor 10 Jahren an WIMPs glaubte, dann konnte nur die Hälfte davon ausgeschlossen werden. Die andere Hälfte ist noch im Rennen.“ (1)

„Myonen könnten mit den Partikeln der dunklen Materie oder einer anderen, der Wissenschaft noch nicht bekannten Energie interagieren.“

Andere Möglichkeiten

WIMPs und die Kräfte, die das Schlingern der Myonen hervorrufen, sind lediglich zwei Möglichkeiten auf der Suche nach den Teilchen der dunklen Materie. Gemäß Scientific American gibt es auch andere Theorien rund um Axione, hypothetische Elementarteilchen. Es könnte ebenfalls sein, dass die dunkle Materie aus zusammengesetzten Partikeln besteht. Eine andere Möglichkeit könnte darin bestehen, dass sie überhaupt nicht aus Teilchen besteht, sondern aus schwarzen Löchern. Wie auch immer die Antwort lautet, Experimente wie Muon g-2, XENONnT und andere werden weiterhin dazu beitragen, dem Geheimnis näher auf die Spur zu kommen.

Mark Miller ist bei Thermo Fisher Scientific als Content-Copywriter tätig.

Quellen

1. Moskowitz, C. (2021, April 1). Dark Matter’s Last Stand. Scientific American. https://www.scientificamerican.com/article/dark-matters-last-stand

Teile dieses Artikels wurden inspiriert durch folgende Veröffentlichungen: „Dark matter“, CERN; „Long-Awaited Muon Measurement Boosts Evidence for New Physics“, Scientific American; „First results from Fermilab’s Muon g-2 experiment strengthen evidence of new physics“, Fermilab; „A Tiny Particle’s Wobble Could Upend the Known Laws of Physics“, The New York Times; „The muon g-2 experiment might mean the Standard Model of physics is incomplete, but that’s just the beginning“, Massive Science; „Dark Matter’s Last Stand“, Scientific American.

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