Die Auswirkungen der statischen Elektrizität auf das analytische Wiegen

Einführung

Statische Elektrizität ist ein physikalisches Phänomen, das in vielen Bereichen unseres täglichen Lebens vorkommt. In der Industrie und in Forschungs- und Entwicklungslabore aller Art kann sie von enormer Bedeutung sein. So kann die elektrostatische Aufladung von Materialien in industriellen Prozessen, bei Produktionsabläufen oder bei der Materialanalyse negative Auswirkungen haben (z. B. bei der Dosierung von Pulvern mit einem Spatel oder Dosierköpfen besteht die Gefahr, dass sich die Substanz ausbreitet, so dass sie nicht in das Gefäß gebracht werden kann, ohne zu verschütten). Elektrostatische Entladungen können elektronische Geräte und Bauteile beschädigen, während Funkenentladungen leicht brennbare Stoffe in der unmittelbaren Umgebung entzünden können, was zu schweren Unfällen führt. Daher werden weltweit Millionen von Dollar für Bemühungen ausgegeben, elektrostatische Aufladungen und die damit verbundenen negativen Auswirkungen zu beseitigen.

Grundlagen der statischen Elektrizität

Statische Elektrizität entsteht durch Reibung zwischen zwei Objekten (Körpern). Bei diesem Reibungsprozess werden Elektronen von Objekten mit einer niedrigeren Arbeitsfunktion (dem "Donator") auf Objekte mit einer höheren Arbeitsfunktion (dem "Akzeptor") übertragen, was zur Bildung von Ionen führt (Abbildungen 1a und 1b). Ein Körper mit einem Elektronenüberschuss erhält eine negative Ladung, während ein Körper mit einem Elektronenmangel eine positive Ladung erhält. Dies ist jedoch nur eine vorübergehende Veränderung der Ladung, da die überschüssigen Elektronen aus dem Körper abfließen, sobald er eine bestimmte Leitfähigkeit hat oder geerdet ist.

Abbildung 1a: Schematische Darstellung der Ionenerzeugung
Abbildung 1a: Schematische Darstellung der Ionenbildung: Wenn zwei neutrale Atome zusammenstoßen oder Reibung erfahren, verliert der Körper mit der niedrigeren Arbeitsfunktion ein Elektron.
Abbildung 1b: Das verlorene Elektron wandert zu dem Körper mit der höheren Austrittsarbeit, und es entsteht ein Ion
Abbildung 1b: Das verlorene Elektron wandert zu dem Körper mit der höheren Arbeitsfunktion, und es entsteht ein Ion. Die Gesamtladung des Atoms auf der linken Seite ist positiv (das "positive Ion"); die Gesamtladung des Atoms auf der rechten Seite ist negativ (das "negative Ion").

Reibung kann innerhalb der Probe selbst oder zwischen der Probe und dem Behälter oder Taragefäß auftreten. Bei der Konvektion in einem Trockenofen beispielsweise führt die Luftreibung zu einer Aufladung der Glasbehälter. Darüber hinaus führt die innere Reibung von Pulvern und Flüssigkeiten beim Transfer zwischen Behältern zu einer Aufladung der Partikel innerhalb der Probe. In der Praxis lässt sich Reibung bei der Verarbeitung oder dem Transport von Stoffen nicht vermeiden. Daher kommt es in nahezu 100 % der Fälle zu einer elektrostatischen Aufladung. Auch im Umfeld der Waage kann es zu störenden elektrostatischen Kräften kommen, die durch die direkte Übertragung von Ladungsträgern durch umherlaufende Personen entstehen.

Zwischen den verschiedenen Möglichkeiten zur Beseitigung der statischen Elektrizität beim analytischen Wiegen gibt es einfache und kostengünstige Maßnahmen. Aufgrund der derzeitigen messtechnischen und praktischen Einschränkungen sind viele dieser Maßnahmen jedoch schwierig und zeitaufwendig in der Anwendung und nicht universell einsetzbar. Andererseits gibt es Methoden, die sowohl leistungsfähig als auch platzsparend sind, insbesondere wenn sie direkt in die Waage integriert werden.

Direkter Einfluss auf das Wiegen

Auf die Problematik des Wiegens von elektrostatisch aufgeladenen Stoffen sind alle Waagenhersteller gefordert, mit entsprechenden technischen Lösungen zu reagieren. Statische Elektrizität kann sich sowohl auf den Wiegeprozess selbst als auch auf das Wiegeergebnis negativ auswirken und erfordert daher eine aufwändige Materialauswahl oder Materialhandhabung, um diesen Effekten zu begegnen. In einigen Fällen kann das Wiegen eines Materials aufgrund der elektrostatischen Aufladung während der Handhabung nahezu unmöglich sein. Darüber hinaus können sich die elektrostatischen Eigenschaften einiger Materialien mit steigender und fallender Luftfeuchtigkeit ändern, was das Wiegen noch schwieriger macht. Oft sind die elektrostatischen Phänomene schlimmer, wenn die relative Luftfeuchtigkeit unter 45 % sinkt, was im Winter in europäischen Breitengraden oder in klimatisierten Räumen häufig der Fall ist. Daher werden Waagenbenutzer von einer Jahreszeit zur anderen oder von einem Tag zum anderen unterschiedliche Bedingungen vorfinden, was die Reproduzierbarkeit ihrer Ergebnisse erschwert. Elektrostatische Aufladung von Materialien kann unter folgenden Bedingungen auftreten:

  • In Festkörpern, bei denen der Oberflächenwiderstand des Materials (Rs) >10 GΩ ist (nach IEC93)
  • In Flüssigkeiten mit einer Leitfähigkeit von <10 nS/m
  • In leitenden Materialien, die nicht geerdet sind

Während eines Wiegevorgangs entsteht durch die Wechselwirkung von elektrischen Ladungen, die sich auf dem Wägegut und den festen Teilen der Waage, die nicht leitend mit der Waagschale verbunden sind, aufgebaut haben, eine elektrostatische Kraft. Dadurch baut sich ein elektrisches Feld zwischen dem Wägegut und den feststehenden Teilen der Waage auf. Beispiele für feststehende Teile der Waage sind der Windschutz oder das Gehäuse und die Grundplatte der Waage. Die daraus resultierenden elektrostatischen Kräfte können Laständerungen (angezeigte Werte) in der Größenordnung von bis zu einem Gramm verursachen. In der Praxis ist ein falsches absolutes Gewicht nicht der einzige negative Effekt, der mit statischer Elektrizität verbunden ist. Auch eine starke Drift der Gewichtsanzeige und eine schlechte Reproduzierbarkeit der Ergebnisse sind ernsthafte Probleme.

Aufgebaute Ladungen fließen langsam über die Waagschale ab, so dass die resultierenden Kräfte im Laufe der Zeit nicht konstant sind, was zu einer Drift und schlechter Wiederholbarkeit führt. Je nach Polarität der Ladung kann die Wechselwirkung entweder abstoßend oder anziehend sein, so dass die Wiegeergebnisse sowohl positiv als auch negativ abweichen können. Eine abstoßende Wechselwirkung liegt vor, wenn sowohl die Ladung der Probe als auch die Ladung der Umgebung die gleiche Polarität haben (beide + oder beide -). Das zu wiegende Material scheint schwerer zu sein, als es tatsächlich ist (Abbildung 2).

Abbildung 2: Abstoßende Wechselwirkung beim Wiegen
Abbildung 2: Abstoßende Wechselwirkung beim Wiegen. Wenn sowohl das Wägegefäß als auch die Umgebung negativ geladen sind, ist die resultierende Kraft nach unten gerichtet (gelber Pfeil). Dies lässt die Probe schwerer erscheinen.

Eine anziehende Wechselwirkung tritt dagegen auf, wenn die Ladung der Probe und die Ladung der Umgebung unterschiedliche Polaritäten haben (ein + und ein -). Eine anziehende Wechselwirkung lässt also das zu wiegende Material leichter erscheinen, als es tatsächlich ist (siehe Abb. 3).

Abbildung 3: Attraktive Wechselwirkung beim Wiegen
Abbildung 3: Anziehende Wechselwirkung beim Wägen. Wenn das Wägegefäß und die Umgebung entgegengesetzte Ladungen haben, ist die resultierende Kraft nach oben gerichtet (gelber Pfeil). Dies lässt die Probe leichter erscheinen.

Neutralisierung elektrostatischer Aufladungen

Um die Auswirkungen der statischen Elektrizität beim Wägen zu beseitigen, müssen sowohl die Probe als auch die Umgebung frei von Aufladungen gehalten werden. Eine Methode, die sich hervorragend bewährt hat, ist die Abschirmung des Wägeraums und der Waagschale vor elektrostatischen Feldern durch eine volltransparente leitfähige Beschichtung aller Glaselemente des Waagenwindschutzes. Alle Glaswindschütze der Cubis™ II-Serie verfügen über diese wichtige Eigenschaft. Eine andere Lösung ist die Verwendung von Ionisatoren und Antistatikstiften in der Nähe der Waage (Abbildung 4). Diese Lösung funktioniert nach dem Prinzip der Oberflächenneutralisierung durch Ionenbeschuss und ist sehr effektiv in Situationen, in denen Ladungsansammlungen auf Gefäßen und Proben in der äußeren Umgebung der Waage beseitigt werden müssen.

Abbildung 4: Ionisatoren und Antistatikstifte zur Reduzierung der statischen Aufladung
Abbildung 4: Ionisatoren und antistatische Stifte zur Reduzierung der statischen Aufladung.

Die Unterflurwägung kann zum Wiegen von sperrigen Materialien, wie z. B. Kunststoffblöcken, verwendet werden. Das Wägegut wird mit einem Bügel unter der Waagschale befestigt, um die proportionale Verringerung der elektrostatischen Kraft zu nutzen, die mit dem Quadrat des Abstands zwischen den Ladungsträgern auftritt. Selbstverständlich kann diese Methode zur Verringerung des Einflusses elektrostatischer Aufladungen auch beim Wiegen auf der Waagschale angewandt werden; der Einfluss elektrostatischer Kräfte auf das Wiegeergbnis kann verringert werden, wenn der Abstand zwischen Wägegut und Waagschale deutlich geringer ist als der Abstand zwischen Wägegut und den festen Teilen der Waage, da die Waagschale eine wirksame Abschirmung darstellt. Im umgekehrten Fall wirken sich elektrostatische Aufladungen dennoch auf den Wiegevorgang aus. Manchmal reicht es aus, einen Gegenstand zwischen das Wägegut und die Waagschale zu legen, um die Kräfte so weit zu reduzieren, dass sie keinen merklichen Einfluss auf das Wiegeergbnis haben. Für manche Anwendungen reicht es auch aus, die Abschirmwirkung der Waagschale zu erhöhen. Hierfür werden spezielle Waagschalen angeboten, die einen größeren Durchmesser als die Standardwaagschalen haben (Abbildung 5).

Abbildung 5: Antistatische Waagschale zur besseren Abschirmung elektrostatischer Aufladungen von Proben
Abbildung 5: Antistatische Waagschale zur besseren Abschirmung elektrostatischer Aufladungen von Proben. Diese Waagschale, die zur Gewichtsreduzierung als perforierte Scheibe ausgeführt ist, wird vor allem zum Wiegen von Filtermaterialien verwendet.

Spezielle Waagen für das Wiegen von Filtern, die einen Faradayschen Käfig (eine geerdete Metallabschirmung) verwenden, um das Problem der elektrostatischen Aufladung zu lösen, sind ebenfalls erhältlich (Abbildung 6). Während des Wiegens schirmen die Waagschale und eine an der Schale befestigte elektrisch leitende Abdeckung die Filter vollständig ab. Solche Filterwaagen werden häufig zur Feinstaubbestimmung bei Emissionsmessungen in der Automobilindustrie oder in Umweltinstituten eingesetzt.

Abbildung 6: Die Cubis™ II Mikrowaage
Abbildung 6: Die Cubis™ II Mikrowaage mit speziellem Windschutz M zum Wägen von Filtern mit einer Größe von bis zu 90mm.

Nützliche Geräte zur Vermeidung elektrostatischer Aufladungen

Im Allgemeinen hängt die Zeit, die benötigt wird, um elektrostatische Aufladungen zu neutralisieren, vom Material, der Oberfläche und der Form der Probe sowie von der relativen Luftfeuchtigkeit in der Umgebung der Waage ab. Cubis™ II Waagen bieten den Q-Stat Ionisator, der in den Draft Shield I der modularen Waagenserie integriert ist (als vier in der Rückwand positionierte Düsen) und elektrostatische Aufladungen innerhalb weniger Sekunden beseitigt (Abbildung 7).

Abbildung 7: Der motorisierte automatische Windschutz Cubis™ II I
Abbildung 7: Der motorisierte automatische Windschutz Cubis™ II I verfügt über einen Ionisator mit vier Strahldüsen zur effektiven Beseitigung elektrostatischer Aufladungen.

Das physikalische Funktionsprinzip dieser Düsen ist die Koronaentladung, ein Prozess, bei dem ein Strom von einer Elektrode mit hoher Spannung in die Luft fließt. Die elektrische Feldstärke um eine sehr dünne Nadel ist so hoch, dass die Luftmoleküle ionisiert werden und ein Plasmabereich um die Elektrode herum entsteht. Die erzeugten Ionen geben Ladung an Bereiche mit niedrigerem Potenzial ab und bilden nach Rekombination mit freien Ladungen wieder neutrale Gasmoleküle. Durch die Verwendung von vier Düsen in der Cubis™ II Balance ist die Ladungseliminierung sehr effektiv. Durch die Verwendung von Düsen mit entgegengesetzter Polarität entsteht eine Art Fokussierungseffekt im Bereich der Waagschale. Dies macht die Neutralisierung elektrostatischer Aufladungen von Probenbehältern und Substanzen (z.B. Pulver) ohne Störung des Luftstroms sehr effektiv. Darüber hinaus bietet die volltransparente leitfähige Schicht auf den Glaswindschutzscheiben dieses Modells einen zusätzlichen Schutz vor elektrostatischen Feldern in unmittelbarer Nähe der Waage. Auch dies gewährleistet stabile und korrekte Wägeergebnisse unabhängig von elektrostatischer Aufladung und ermöglicht die Messung kleinster Materialmengen (z.B. auf Filtern), oft unter Verwendung von Zubehörschalen oder Filterhaltern (Abbildung 8).

Abbildung 8: Die Cubis™ II Waage
Abbildung 8: Die Cubis™ II Waage unterstützt verschiedene Anwendungen, bei denen die Eliminierung elektrostatischer Ladungen für die Messung sehr kleiner Partikelmengen auf Filtern unerlässlich ist (hier mit Spezialhalter YSH30 für Filterdurchmesser bis 150mm).
Wissenschaftlerin mit der Sartorius Cubis™ II Mikrowaage

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